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Zwischen Kultur und Gedenken in Krakau und Auschwitz: Geschichte begreifen, Erinnerung bewahren

Am frühen Montagmorgen begann unsere fünftägige Fahrt nach Polen. Noch vor Sonnenaufgang versammelten wir uns in Wittstock, bepackt mit Koffern, Snacks und einer Mischung aus Vorfreude und Spannung auf das, was vor uns lag. Die bevorstehende Busfahrt nach Krakau sollte lang werden – rund elf Stunden lagen vor uns. Die Vorfreude war dennoch groß.

Am späten Nachmittag erreichten wir schließlich Krakau – eine Stadt, die auf eine lange und bewegte Geschichte zurückblickt. Nach dem Einchecken im Hotel blieb uns der Abend zur freien Verfügung. Viele nutzten die Gelegenheit, die Stadt auf eigene Faust zu erkunden. Die ersten Schritte durch die Altstadt mit ihren prachtvollen Fassaden, engen Gassen und dem belebten Marktplatz hinterließen sofort einen bleibenden Eindruck. Es war ein sanfter Einstieg in eine Woche, die uns kulturell und emotional tief bewegen sollte.

Dienstag – Auf den Spuren jüdischen Lebens in Krakau

Wir besuchten unter anderem die Remuh-Synagoge mit dem angrenzenden alten jüdischen Friedhof, der zu den ältesten in Europa zählt. Auch der Nowy Platz – einst zentraler Treffpunkt im Viertel – und viele der kleinen, verwinkelten Gassen vermittelten ein lebendiges Bild davon, wie vielfältig und bedeutend das jüdische Leben hier einst war. Besonders eindrücklich war die Gegenüberstellung von Orten des kulturellen Reichtums mit jenen, die durch die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg gezeichnet wurden.

Im Anschluss führte uns der Weg über die Weichsel in das ehemalige jüdische Ghetto, das während der deutschen Besatzung errichtet wurde. Auf bedrückende Weise wurde hier deutlich, wie brutal jüdisches Leben entrechtet, isoliert und vernichtet wurde. Besonders eindrucksvoll war der Besuch des Ghettoheldenplatzes (Plac Bohaterów Getta), wo heute 70 leere Metallstühle symbolisch an die Deportation und Ermordung der jüdischen Bevölkerung erinnern. Die Leere zwischen den Stühlen, der weite, offene Platz – all das hinterließ eine nachdenkliche Stille in der Gruppe.

Am Nachmittag durften wir einer außergewöhnlichen Begegnung beiwohnen: dem Zeitzeugengespräch mit Monika Goldwasser, einer Überlebenden des Holocaust. Ihre Erzählung war von schmerzvollen Erinnerungen, aber auch von unglaublicher Stärke und Menschlichkeit geprägt. Es war ein Moment, der uns alle tief berührte – persönlich, eindringlich und unvergesslich.

Der Abend klang in einer besonderen Atmosphäre aus: Im Restaurant Klezmer Hois inmitten von Kazimierz erlebten wir jüdische Kultur auf eine andere Weise – durch traditionelle Speisen und stimmungsvolle Live-Musik einer Klezmer-Band. Nach all den Eindrücken des Tages war es ein berührender, fast heilender Abschluss – ein Abend, der zeigte, dass jüdisches Leben nicht nur Erinnerung ist, sondern auch Gegenwart und Zukunft.

Mittwoch – Auschwitz Stammlager: Erste Annäherung an einen Ort des Grauens

Unser Besuch begann mit einer rund dreistündigen Führung durch das Stammlager Auschwitz I. Schon beim Betreten des Lagers durch das Tor mit der zynischen Aufschrift „Arbeit macht frei“ lag eine spürbare Schwere in der Luft. Die aus rotem Backstein errichteten Gebäude, die endlosen Reihen von Stacheldrahtzäunen, der Galgen, das Krematorium – all das sind Zeugnisse eines perfiden Systems, das systematisch Millionen von Menschen entrechtete, quälte und tötete.

Die Ausstellung in den einzelnen Blöcken vermittelte uns erste, erschütternde Eindrücke vom Leben und Sterben der Häftlinge. Besonders verstörend waren die persönlichen Gegenstände: Berge von Schuhen, Koffer mit Namen, abgeschnittenes Haar – stille, aber eindringliche Erinnerungen an die Menschen, die hier entrechtet und vernichtet wurden. Es war schwer, Worte für das zu finden, was wir sahen. Viele von uns schwiegen – aus Respekt, Fassungslosigkeit, und weil sich der Ort mit einer bedrückenden Intensität in unser Bewusstsein drängte.

Nach der Führung nahmen wir an einem vertiefenden Workshop teil, der das Leben der Häftlinge im Lager thematisierte. Dabei standen Begriffe wie Solidarität, Mut, Hunger, Demütigung, Moral und Einsamkeit im Mittelpunkt. In kleinen Gruppen setzten wir uns mit Biografien, Zitaten und Alltagssituationen auseinander, die das emotionale und psychische Überleben im Lager beleuchteten. Was bedeutete es, trotz völliger Entmenschlichung menschlich zu bleiben? Wie konnte ein Funke Hoffnung inmitten der Verzweiflung bestehen?

Der Workshop eröffnete einen persönlichen Zugang zu dem, was zuvor in der Führung als überwältigendes historisches Ausmaß erschien. Es ging nicht mehr nur um Zahlen, sondern um Geschichten, Entscheidungen, Werte – um Menschen.

Am Abend kehrten wir nach Krakau zurück. Die Eindrücke des Tages wirkten nach – in Gesprächen, im Schweigen, in Gedanken. Es war ein Tag, der uns forderte, aber auch tiefer verstehen ließ, was Erinnerung bedeutet.

Donnerstag – Birkenau: Das Ausmaß der Vernichtung begreifen

Am Donnerstag kehrten wir nach Oświęcim zurück – dieses Mal mit dem Ziel Auschwitz-Birkenau, dem Vernichtungslager. Es lag spürbar eine andere Stimmung in der Luft: Mit großem Respekt und einer gewissen inneren Anspannung betraten wir das Gelände, das heute symbolisch für den industriell betriebenen Massenmord während des Holocaust steht.

Die dreistündige Führung durch Birkenau war geprägt von beklemmender Weite. Die Gleise, die durch das bekannte Lagertor führen, die unzähligen Holzbaracken, die Überreste der Gaskammern und Krematorien – alles an diesem Ort erzählt von systematischer Vernichtung. Die Dimension des Lagers machte das Ausmaß des Grauens noch deutlicher als am Vortag.
Besonders bedrückend war der Gang entlang der Rampe, auf der die Selektion stattfand – der Moment, in dem Menschen innerhalb von Sekunden in Leben oder Tod eingeteilt wurden. Die Vorstellung, dass Tausende hier ankamen, nichts ahnend, viele nur Stunden oder Minuten vom Tod entfernt, ließ uns sprachlos zurück.

Ein großer Dank gilt unseren Guides, die mit außergewöhnlichem Einfühlungsvermögen durch diesen schweren Ort führten. Sie schafften es, die grausame Vergangenheit greifbar zu machen, ohne uns dabei mit Gefühlen der Ohnmacht zurückzulassen. Jede unserer Fragen wurde mit Wissen, Geduld und Respekt beantwortet – ein wertvoller Beitrag zur Auseinandersetzung mit dem, was wir sahen und fühlten.

Im Anschluss an die Führung hatten wir die Möglichkeit, uns in einer Gesprächsrunde auszutauschen. Viele von uns fanden erstmals Worte für das, was sie fühlten: Fassungslosigkeit, Wut, Trauer – aber auch Dankbarkeit dafür, diese Erfahrung gemeinsam gemacht zu haben.

Zurück in Krakau stand der späte Nachmittag zur freien Verfügung. Viele nutzten die Zeit, um durch die Altstadt zu bummeln, kleine Souvenirs zu kaufen oder einfach kurz durchzuatmen – ein Versuch, einen Teil der Schwere des Tages abzuschütteln.

Am Abend kamen wir zu einem letzten gemeinsamen Essen zusammen. In einem gemütlichen Restaurant ließen wir die Woche Revue passieren – diesmal mit leichteren Gesprächen, Lachen und dem Gefühl von Zusammenhalt.

Nach einer intensiven und emotionalen Woche stand am Freitagmorgen unsere Heimreise an. Noch einmal ein letzter Blick auf Krakau, bevor wir unsere Koffer verstauten und in den Bus stiegen. Die Freude auf Wittstock steigt.

Diese Fahrt hat Spuren hinterlassen. Sie hat uns Geschichte nicht nur aus Büchern oder Filmen gezeigt, sondern direkt an den Orten, an denen sie geschah. Sie hat uns gelehrt, hinzusehen, nachzufragen und nicht zu vergessen.

Wir kehren heim – mit leichtem Gepäck, aber schweren Gedanken. Und mit der Verantwortung, das Erinnerte nicht zu vergessen.

Fotoserien

Ausschwitz 2025 (SA, 05. April 2025)

Weitere Informationen

Veröffentlichung

Fr, 11. April 2025

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